dulten
swV.
1 intr. ‘dulden, leiden’
2 tr. (meist mit Akk.d.S.) ‘etw. (jmdn.) erdulden’
2.1
‘etw. ertragen, erleiden’
2.2
‘etw. auf sich nehmen, bewusst ertragen’
2.3
‘etw. zulassen, geschehen lassen, hinnehmen’
2.4
‘etw. als angenehm empfinden’ (oft gemach
~
) 2.5 mit Akk. und präp. Erg. ‘etw./jmdn. als etw.
anerkennen’
1
intr. ‘dulden, leiden’
daz der ze rehte dulten sol / der ê gerihte in hôher dol
RvEBarl
10627;
so wil ich üch es wissen lon, / wie ich doch dulde schwere
GTroj
6265.
– phras. ‘wer siegen will, muss dulden’ (vgl. TPMA
2,317):
sus ein pôêta spricht: / [...] / swer dâ dult,
der vint den sic; / wiltû gesigin, duldin pflic! NvJer
2248
2
tr. (meist mit Akk.d.S.) ‘etw. (jmdn.) erdulden’
2.1
‘etw. ertragen, erleiden’
wir alle dulten den tot Hochz
871;
von ir dulde ich ungemach, / manig ‘ach’ /
füeget mir diu reine SM:WvT
3: 3,1;
wann er das ryten nit kund gedulden Lanc
193,33;
daz er darumbe fürbaz / Apollen und Machmeten haz /
nimmer mêr gedulde / umb die selben schulde Ottok
49013.
– mit Nebensatz:
wan diu vil leider dulten sol, / swaz der lîp alhie
getuot, / ez sî übel oder guot RvEBarl
14850;
so sol der siechmaister dvlden vnd helffen, swaz den hof anget
UrkCorp (WMU)
3583,37;
nu duldet doch das es vor uch hange an uwerm
sattelbogen Lanc
145,14.
– mit Akk.d.P. ‘jmdn. dulden’
jst aber, daz der herre den [...] in dem land
dvldet UrkCorp (WMU)
1312AB,26
2.2
‘etw. auf sich nehmen, bewusst ertragen’
daz ichz von ir hân / und ich durch triuwe dulde daz. /
so müezze mir niemer werden baz, / liezze si mich SM:Had
49: 2,5;
daz ir mîn ungemach / sô wildiclichen duldet, / daz hân
ich unverschuldet KvWSchwanr
921;
ich bin bereit, / daz ich des kampfes arebeit / wil dulden
unde lîden ebd.
699
2.3
‘etw. zulassen, geschehen lassen, hinnehmen’
süntlîcher sin / begunde wahsen ouch an in. / des dulte
gotes zorn niht mê RvEBarl
2069;
unreht ich kûme dulde / und mac sîn niht gelîden
KvWSchwanr
642;
wer hete dannoch [gegen die Überzahl der
Gegner] die kraft / erne dulte meisterschaft [ihren
Sieg] ? Iw
4084;
Wig
4160.
–
‘das Recht anerkennen’
daz daz selb gvt dehein reht dulden sol wan vor der herren beider rat
UrkCorp (WMU)
1411,8;
swelich edel man vnsern burgern gelten sol, der sol daz reht dvlden
vor vnserr stat sachwalt ebd.
2383,33
2.4
‘etw. als angenehm empfinden’ (oft gemach
~
):
daz ich dulte alsolch gemach Parz
185,8;
daz er des armen sêle sach / dulten êweclîch gemach: /
dem was wol und im vil wê RvEBarl
3412;
Vät
39524;
PassIII
231,34;
[sie] gabin des eine gelichnisse bi deme lawen suze
daz duldet di zunge gerne SalArz
7,9
2.5
mit Akk. und präp. Erg. ‘etw./jmdn. als etw.
anerkennen’
das man fúr guͦt oͮch dulde mich
RvEWh
2163;
des was in solher mâze vil / daz ich für guot ez dulden wil RvEGer
1142;
si wolden fürbaz niht / sweren noch hulden, / noch ze
herren dulden / die hêrschaft von Ôsterrîch Ottok
92296
dultunge
stF.
‘duldsames Leiden’
den dultungen
[
passionibus
] Cristis dur gedulti wir
tailuankin BrZw
Prolog
dulz
Adj., Adv.
‘süß, angenehm’ (aus afrz. dolz, vgl. Suolahti
1,82):
si gap mir an ir den pris, / daz ich waere ir dulz amis / mit
dienste disen meien Tannh
3,16;
von amure seit ich ir, / daz vergalt si dulze mir ebd.
3,86
dûme
swM.
‘Daumen’
den vumften vinger nenne ich rume, / her heizet pollex der
dume / der ist der kurste sunder schrei / und hat nicht denne gelede zwei
Brun
3756;
dâ was ein cleinez snuorlîn / [...].
/ dâ hæte diu schœne în geslagen / ir dûmen von ir linken hant Tr
10939;
swa man einen seckelsnider begrifet an der hantgetat
[...] uber den sol man also rihten daz man im den
gerehten dumen sol abeslahen StRAugsb
125,1;
UrkCorp (WMU)
2302,42.
– als Maßangabe (im Gen.):
nym denne eynen stekken, eynis dumyn dicke
Albrant
3,4;
dar ob man sach dú braͤwelin / haben ainen under
schaid, / sich, nach aines dumen brait SHort
7086.
– sprichw. (vgl. TPMA 2,179f.):
wil sich einer in dem hanfe [beim
Spinnen] iht sûmen, / der bedarf zer rehten hant des tûmen
SM:Go
1: 4,11;
habet ouch den dumen in der hant! [macht eine Faust - i.S.v.
‘bewahrt die Herrschaftsrechte’, vgl. FrlWb S. 68]
Frl
8:1,11.
– als Bestandteil von Personennamen:
Charel vnd Albreht, die Davmen UrkCorp (WMU)
1209,6,38
dûm|elle
swF.
Längenmaß (meist Distanz vom Ellbogengelenk bis zur Daumenspitze):
pigmêi, diu sint zwaier daumellen lanch BdN
490,36;
alle die wîle unde sich der man verwalten mac, daz er
[...] ûf ein ors komen mac von einem steine oder von
einem stocke einer dûmellen hôch sunder mannes helfe SpdtL
144,2;
zwen baum stunden in India / [...] /
hoch wol hundert duͦmen eln HvNstGZ
1824
dûm|ellenbreit
Adj.
‘eine dûmelle breit’
an gezierde daz bette niht was betrogen, / mit lîsten rîch dûmellenbreit, /
vil steine rîch darîn geleit ErnstD
2399
dûm|ellenlanc
Adj.
‘eine dûmelle lang’
er maz des wurmes füeze, [...]: / die klâ vor dem
riste wârn dûmellen lanc WolfdA
592,4
dûmen
swV.
1 Part. Prät. als Alternative zu dûmelle 2
‘mit Daumenschrauben foltern’
1
Part. Prät. als Alternative zu dûmelle:
zweier getúmder eln lanc RvEWchr
1505
2
‘mit Daumenschrauben foltern’
dar uf fing man ir etwie vil und kesteget sü sere mit dümende ClosChr
127,15
dûmen|geleich
stN.
‘Daumenglied’
were oͮch, das der burger wndot den selder [Häusler,
Dörfler ohne Landbesitz] vnd dû wnde alse tief ist, das si gat an
das erste tûmengelêch UrkCorp (WMU)
1295,14
dumme
Subst.
entstelltes domini in Verballhornungen der relig. Eingangsformel
in nomine domini:
in nomine domini [La. nomine dvmme
] , ich
wil beginnen, sprechent âmen Walth
31,33;
in nummer dummen amen, / wer hat diz gesehen mer, / daz eins kuneges dohter
her / spinnet wollen umme lon? Elis
7070;
in nummer dumme nâmen! du wirdest nimmer vehtens sat OrtnAW
418,4
dumpfe
swM.
Bed. unklar, verschiedene Vorschläge ‘Dampf des aus dem Körper strömenden
Bluts’ (Pfeiffer, NvJer. S. 140); ‘Lebenshauch
(anima)’ (Bech, NvJer., S. 95);
‘Atemnot’ (ebd. S. 95, vgl. auch Johansson, NvJer., S.
228f.):
daz houbit lîz er ligin dâ / und lîf den andrin nâ / vaste mit dem strumpfe
[Rumpf] . / zu jungist im der dumpfe / bestûnt mit
alsulchir nôt, / daz er vîl dânidir tôt NvJer
11768
dumpfec
Adj.
‘verschleimt’
daz cruͦt [Kresse] gesoten
mit zigenmilch, oder der same, daz ist gut getrunken, swen di brust dumpfech ist
Macer
44,12;
heilsame trenke den, di dumfic warin, unde ouch den kichenden
ebd.
52,5
dumpfen
swV.
Bed. unklar, wohl kaum ‘unterdrücken’ (Lexer 1,475),
möglicherweise ‘rauchen’ übertr. ‘in Erregung
geraten’
eine huben von zindale / truͦch er zallem male, / da er die oren under
stach, / vnz sie der knecht eines sach, / der ime ze soumende phlach. / vnd alse der
nicht verhelen mach, / vnde torste doch nicht ruͦge / daz sin herre
truͦge / eines esels oren an, / der knecht dvmphen began, / solder die melde
laze, / vnde gienc sine straze AlbvHalbB
49
dunc
stM.
‘Vermutung, Meinung’
min dunck, min sin unde min muͦt / hat sine volge gesworn / unde iuch
ze wunnen mir erkorn Ainune
146;
in wane ein künig, nach dunke ein man Frl
11:10,11.
7:19,11;
der iemer nâch dem wunsche schœnes wîbes solte vâren, / der
kunde sî nach mînem dunke schœner niht gemachen SM:UvS
17: 1,9;
Reinfr
1951;
HlReg
81,29;
Seuse
301,1
duncnisse
stF.
‘Meinung, Urteil’
die obersten krefte der sêle zückent ire duncnüsse ûzer dem wesenne der gnâden
Eckh(Pf)
515,10
dünec
Adj.
unklar (wohl zu donen, vgl. Anm.z.St.) ‘sehnsuchtsvoll,
erregt’
kan dich die minne machen dünic, / die kiusche in reinen sinnen spünic
Frl
5:25,13
dünen
swV.
‘donnern, ein Getöse machen’
oy wî dî wîfini clungin, / dâ dî marih cisamine sprungin! /
[...] / derde diruntini [die Erde
drunten] diuniti Anno
27,5;
Widolt vnde Grimme / liefin in deme ringe / die riesin do
tvnidin / daz die erde bibite Roth
5056;
bediu brunne unde schilt, / daz wart allez enzwai gecilt. / si sluͦgen,
daz ez tunte Wenzl
345
dünke
stF.
‘Vermutung’
diu frouwe / ersach, daz er der schœnste was. / alsus ez ir ir dünke maz, / er
wær sô werder minne wert HvBer
1573
dünkel-
‘eingebildet, Schein-’
erstes Glied von Adj.- und Subst.-Komposita (vgl. Bech, Marner, S. 387),
vorwiegend in Texten aus dem md./nd. Übergangsgebiet (vgl. das nd. gut bezeugte
dunkelgût, Schiller/Lübben 1,597, das auf analoge Bildungen
eingewirkt haben könnte); im Einzelfall nicht sicher abzugrenzen vom Adj.
tunkel
dünkelbiderman (?)
stM.
‘scheinheiliger, nur in seiner Einbildung vortrefflicher Mann’
(oder zu tunkel Adj.? Vgl. FrlWB 379):
nu merke, tunkel biderman, / [...] / din erenhenne
kret, so krotzelt din han Frl
8:25,1
|